Harald: Der schönste Balkon von Koblenz

Blick vom Fort Großfürst Konstantin auf Koblenz, Juni 2018

Staunend schaue ich auf die zu meinen Füßen liegende Stadt, sehe Hochhäuser, Kirchen, Gleisanlagen, erblicke am Horizont die ersten Hügel des Westerwaldes. Ich entdecke die Kirchtürme in der Koblenzer Altstadt, ordne in Gedanken die sichtbaren Hochhäuser ihrer Bestimmung zu,  puzzle mir Stück für Stück Vertrautes im Koblenzer Stadtbild zusammen. Es weht schon ein kräftiger Wind hier oben auf dem Fort Großfürst Konstantin, denke ich plötzlich und krieche etwas tiefer in meine Jacke. Noch bleibt mir etwas Zeit, um den phantastischen Ausblick zu genießen. Ich bin sehr gespannt auf die heutige Koblenz-Geschichte.  Was wird mir der Vorsitzende des Vereins „Pro Konstantin e. V.“ über seine Heimatstadt erzählen?

Harald Pohl lebt sein 1952 in Koblenz, abgesehen von wenigen Unterbrechungen, wie er mir zu Beginn unseres Gespräches erzählt. Er hat Koblenz wachsen sehen, kennt viele Menschen in der Stadt persönlich. Es hat sich viel verändert in den letzten Jahrzehnten, beginnt er. Ich kenne die Stadt noch ohne die neuen Stadtgebiete Horchheimer Höhe, Karthäuserhofgelände, Flugfeld Karthause oder Moselweißer Hang. Viele Gebäude wie das Polizeipräsidium, das Löhr-Center sind neu entstanden. Am Zentralplatz war früher eine Discothek, lacht er kurz, wird aber direkt wieder ernst. Bei all dem Wachstum ist aber auch einiges verloren gegangen. Nehmen Sie meinen Stadtteil Karthause, in dem ich seit 1955 zuhause bin. Früher gab es hier sechs Gaststätten, heute nur noch eine. Dort konnte man nicht nur Essen und Trinken, das waren Begegnungsstätten. Diese Kommunikationsorte fehlen heute und das bedauere ich sehr. Er blickt nachdenklich nach draußen, setzt aber rasch fort. Daher war ich nicht ganz unbeteiligt, dass  gerade der „Karthäuser Bürgerverein e.V.“ gegründet wurde,  der als erstes das marode Löwentor wieder instand setzen will. Jetzt blitzen seine Augen.

Harald Pohl engagiert sich, nicht nur für seinen Lieblingsstadtteil, sondern vor allem auch für seinen Lieblingsplatz in Koblenz. Irgendwie gehört das Fort Großfürst Konstantin zu meinem Leben dazu. Schon mein Schulweg führte direkt über das Fort, über die heute nicht mehr erhaltene Außentreppe. Später wollte ich mit meiner Frau auf das Gelände, um den schönen Ausblick zu genießen. Aber das Tor war zugemauert, das Fort baufällig, sanierungsbedürftig. Er denkt nach. Es war meine Frau, die mich auf eine Initiative zur Instandsetzung des Forts hingewiesen hat. Beim ersten Treffen waren wir zu Dritt. Im September 1993 haben wir dann unseren Verein gegründet. Seitdem bin ich im Vorstand, lange als stellvertretender Vorsitzender, seit 2005 als Vorsitzender. Wir haben Schutt weggeräumt, Zugänge gesichert, Fenster geöffnet, den Kehlturm und Dächer saniert, viel mit Unterstützung in der Denkmalpflege erfahrenen Firmen, Spenden und Fördergeldern der Stadt. Aber vor allem war es das Engagement unserer Mitglieder, deren viele Samstagseinsätze. Das alles hier ist mit uns entstanden, aber es bleibt noch eine Menge zu tun.

Hier war die Kriegsbäckerei des Forts Konstantin untergebracht.

Das Fort Großfürst Konstantin, in Koblenz kurz Fort Konstantin genannt, liegt am Hang des Stadtteils Karthause. Die Anlage ist Bestandteil der ehemaligen Festung Koblenz und Ehrenbreitstein, benannt nach dem Bruder des russischen Zaren Alexander I., Konstantin Pavlovich. Von 1822-1827 wurde es unter Leitung preußischer Militäringenieure als Vorposten der Feste Kaiser Alexander erbaut, mit der das Fort durch einen unterirdischen Gang verbunden ist. Während des Zweiten Weltkrieges baute man einen Kasemattenflügel zum Bunker um. Dort war die Luftschutzleitstelle für Koblenz untergebracht. Nach dem Zweiten Weltkrieg diente es u. a. als Wohnraum für ausgebombte Koblenzer Bevölkerung. Die letzten Bewohner wurden Ende der 1960er Jahre umgesiedelt. Danach wurden Innenwände eingerissen und Fenster zugemauert, um das Fort unbewohnbar zu machen. Durch zusätzlichen Vandalismus verfiel die Anlage mehr und mehr bis sich unser Verein ihrer Sanierung annahm. Heute befinden sich im Kehlturm das Rheinische Fastnachtsmuseum und im überbunkerten Kasemattenflügel die Ausstellung „Koblenz im Zweiten Weltkrieg“. Andere Teile des Kasemattengebäudes und  der Innenhof werden für Veranstaltungen genutzt und vermietet.

Das alles erzählt mir der Vereinsvorsitzende an diesem Nachmittag und ich höre ihm gerne zu. Er spricht leise und bescheiden, aber seine Gesten, seine Blicke zeigen, wie stolz er auf seinen Verein und wie gerne er an seinem Lieblingsplatz ist. Ich mag es besonders am Abend hier zu sein, oder wenn keine Veranstaltungen sind. Dann schließe ich das Tor auf, betrete den Innenhof, blicke auf die Stadt… jedes Mal ein „Aha-Effekt“. Für mich ist das Fort „der schönste Balkon von Koblenz!“, bekräftigt er noch einmal.

Der schönste Balkon von Koblenz!, Innenhof Fort Großfürst Konstantin, April 2018

Was gefällt Ihnen an Koblenz? Gibt es einen persönlichen Herzenswunsch an Ihre Stadt?
Wir leben in einer wunderschönen Stadt und …, er hält kurz inne. Unser ehemaliger Koblenzer OB hat diese Stadt als die heimliche Kulturhauptstadt von Rheinland-Pfalz bezeichnet.  Da kann ich nur zustimmen. Das Angebot ist so vielseitig. Nehmen Sie die vielen Veranstaltungen auf der Festung Ehrenbreitstein, im Café Hahn, bei uns hier auf dem Fort. Koblenz ist lebendig, eine „Schwarmstadt“, sagen viele, sicher zu Recht. Unser Hauptbahnhof ist einer der Hauptverkehrsknoten in der Region, dazu die großen Einkaufszentren. Koblenz liegt sehr zentral. Ein guter Ausgangspunkt für Reisen in Europa…

Und ihr Herzenswunsch, frage ich nach.
Harald Pohl überlegt kurz. Dass sich ein Nachfolger für mein Amt findet und die Mitglieder im Verein sich weiter so für den Erhalt und den Ausbau des Forts engagieren. Es wäre sehr schön, wenn der Verein wächst. Jeder ist bei uns willkommen.

… der Stadt und ihren Menschen etwas zurück geben.

Auf meine nächste Frage, was ihm an Koblenz nicht gefalle, schüttelt mein Gesprächspartner den Kopf. Ihm fällt so spontan nichts ein. Bin ich jetzt ein unkritischer Mensch?, fragt er mich augenzwinkernd. Man sollte nicht immer alles auf die Stadt schieben, sondern selbst Initiative ergreifen, sich engagieren. Dafür gibt es in Koblenz viele Vereine und Aktivitäten von Koblenzern, die zur Gestaltung des Lebens in der Stadt beitragen. Er nickt bekräftigend und legt die Hände ineinander.

Wissen Sie, setzt Harald Pohl unser Gespräch fort,  seit dem ersten Schuljahr wohne ich in Koblenz. Ich habe in dieser Stadt studiert. Meinen Beruf durfte ich hier ausüben. In mehreren Koblenzer Vereinen bin ich Mitglied. Hier wohnt auch der überwiegende Teil meiner Freunde. Wahrscheinlich haben die Stadt, ihre Institutionen und ihre Bewohner mich geprägt. Ich fühle mich hier wohl und geborgen. Dafür bin ich dankbar. Mit meiner Aktivität für das Fort Konstantin hoffe ich der Stadt Koblenz und ihren Menschen etwas zurückgeben zu können.

Harald Pohl, Juni 2018

Harald Pohls letzter Satz ist eine gute Überleitung zu meiner nächsten Frage. Wie sind sie, die Menschen in dieser Stadt?
Jetzt schmunzelt der Koblenzer und versichert mir glaubwürdig, so wie alle anderen Menschen auch. Schängel, fügt er noch hinzu, herzlich und offen, sehr aufgeschlossen gegenüber Fremden.

Es ist schön hier oben auf dem Fort Konstantin. Und ich bin mir fast sicher, dass mein engagierter Gesprächspartner seinem Gast bei einem Besuch in Koblenz  sofort seinen Lieblingsplatz zeigen würde.  Er nickt und schmunzelt. Aber zunächst würden wir uns in der Koblenzer Altstadt treffen, sagt er lächelnd,  und zum Deutschen Eck gehen. Vom Fort Konstantin aus erkläre ich ihm dann die Stadt und die Umgebung. Diesen Ausblick wird er sicher nicht vergessen. Und dann beschreibt mir Harald Pohl lebendig, was ein Gast hier alles entdecken kann: Die Weinanbaugebiete an Rhein und Mosel, die verschiedenen Koblenzer Stadtteile, das Mittelrheintal mit seiner Geschichte,  die vielen Wanderwege rund um Koblenz. Und natürlich sollte er unser Theater besuchen. Das ist klein und fein, bietet ein gutes Programm und, er überlegt kurz, ja, man sitzt sehr nah an der Bühne und das ist ein sehr besonderes Theatererlebnis.

Harald Pohl erzählt über das Fort Großfürst Konstantin, April 2018

Mitten in unserem kurzweiligen Gespräch über seine Heimatstadt  fällt ihm dann noch ein zweiter Herzenswunsch ein. Ich wünsche mir, sagt er etwas leiser, dass die Verantwortlichen in der Stadt unser Engagement am Fort Konstantin etwas besser wahrnehmen und würdigen. Dann schweigt Harald Pohl. Und ich denke still über seinen Wunsch nach.

Koblenz ist eine Stadt, in der man gut leben kann, nimmt der lebensbejahende Koblenzer wenige Minuten später das Gespräch wieder auf. Die Infrastruktur ist sehr gut und die Stadt hat neben den beiden Flüssen sehr viel Grün. An meinen Stadtteil schließt sich unmittelbar der Koblenzer Stadtwald an. Er schwärmt. Für mich der richtige Zeitpunkt Harald Pohl nun zu bitten, seine Stadt mit fünf Begriffen oder in fünf Sätzen zu beschreiben.

Koblenz ist.., dann zögert er kurz. Gar nicht so einfach, stellt er fest, fährt aber rasch fort. Koblenz ist die einzige Stadt an Rhein und Mosel,  grenzt an zwei große Weinanbaugebiete, Zentrum an vier Mittelgebirgen und die Stadt mit großen preußischen Festungsanlagen.

Da war  es wieder, „sein Fort Konstantin“!, denke ich begeistert und lege Stift und Notizbuch beiseite. Zeit für einen gemeinsamen Blick vom „schönsten Balkon in Koblenz“.

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Harald Pohl,  Jg. 1945, Vorsitzender des Vereins „Pro Konstantin e.V.
Lieblingsplatz: Fort Großfürst Konstantin

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