Johannes: Koblenz sollte sich immer wieder neu entdecken

Freitagnachmittag. Ich stehe unterhalb der Festung Ehrenbreitstein. Mein Blick wandert immer wieder hinauf zu der ursprünglich kurtrierischen, später preußischen Befestigungsanlage, auf deren Gelände ich gleich einen weiteren Lieblingsplatz entdecken werde.

Mein heutiger Gesprächspartner begrüßt mich gutgelaunt. Schon in den ersten Minuten legt sich das Fremdsein. Und noch ehe wir den Weg hinauf zur Festung beschreiten, sind wir mittendrin in unserem Gespräch über Koblenz.

Johannes Bruchhof lebt nicht nur in dieser Stadt, er lebt mit dieser Stadt. Das wird mir recht schnell bewusst. Er erzählt so voller Begeisterung über seine Heimatstadt, dass ich ihn gar nicht unterbrechen möchte, um ihm meine erste Frage zu stellen.

„In Koblenz“, so erzählt er mir, „arbeite, wohne, lebe ich. Wenn ich in der Stadt unterwegs bin, kann ich selten so richtig abschalten. Immer wieder entdecke oder erlebe ich die Stadt auf eine andere Weise. Vielleicht, nein sicher hat das mit meinem Job zu tun, aber ich bin auch stolz auf die Stadt bzw. mehr auf deren Veränderungen im letzten Jahrzehnt.“

Ist Koblenz deine Heimat?
„Ach“, entgegnet Johannes, der seit Kita-Zeiten in Koblenz lebt, „ich bin nicht so der Heimattyp. Ich glaube, ich hätte kein Heimweh, wenn ich nicht mehr hier leben würde. Ich kann mich auch woanders heimisch fühlen.“

Doch plötzlich wirkt er einen kurzen Moment nachdenklich.
„Aber vorerst werde ich wohl in Koblenz bleiben. Ich bin hier Zuhause. Ich kenne viele Menschen, genieße es durch die Stadt zu gehen, sehr gerne zum Beispiel durch die Rheinanlagen. Koblenz hat für mich irgendwie `Wohnzimmer-Charakter´. Ich kenne mich aus, weiß wohin ich gehen oder was ich wie nutzen kann. Nicht wie in einer Großstadt, wo man immer das Gefühl hat, etwas zu verpassen. Das ist doch entspannend, oder?“

Blick vom Fort Helfenstein auf Koblenz, März 2019

Inzwischen sind wir am Fort Helfenstein, dem Lieblingsplatz von Johannes angekommen. Schon auf dem Weg dorthin, über den neu angelegten Fußweg General Aster, der vom Koblenzer Stadtteil Ehrenbreitstein hinauf zur Festung führt, habe ich immer wieder über die fantastischen Ausblicke auf Koblenz gestaunt. Jetzt aber eröffnet sich mir ein Ausblick auf die Stadt an Rhein und Mosel, der zwar dem Blick vom Festungsplateau ähnelt, mich aber doch irgendwie ganz anders in seinen Bann zieht.

„Ist das nicht ein Ausblick!“, ruft mir Johannes zu.
„Und nicht so wahnsinnig touristisch“, setzt er nach, „hier kann man ganz für sich alleine sein. Mich fasziniert an diesem Blick besonders, dass nicht das Deutsche Eck im Fokus steht, sondern die Rheinanlagen und natürlich der Fluss, auch die Schienen und Straßen. Das hat für mich etwas mit Bewegung zu tun. Es sind nun mal die Transportwege im Rheinland. Und schau mal,“ er zeigt auf ein großes Gebäude am Rheinufer, „das Preußische Regierungsgebäude, das ist doch ein echtes Schmuckstück.“

Blick auf das Preußische Regierungsgebäude, März 2019

Im südlichen Teil der Festung Ehrenbreitstein befindet sich das Fort Helfenstein, bis Anfang des 19. Jahrhunderts die Burg Helfenstein, Stammsitz der Familie Helfenstein. Diese wurde 1160 als Höhenburg oder Spornburg erbaut. Durch den Bau größerer Schlösser im 14. Jahrhundert verlor die Burg an Bedeutung, wurde selten bewohnt und verfiel zunehmend. Anfang des 19. Jahrhundert wurde mit dem Bau der preußischen Festung Ehrenbreitstein auch das Fort Helfenstein, eine Geschützstellung, errichtet, die zusammen mit der Bastion Fuchs das Tal und Gelände zum Rhein hin schützte.

„Inspiriert hat mich seinerzeit ein altes Foto,“ schildert mir Johannes seine erste Bekanntschaft mit diesem Platz.
„Ich wollte unbedingt wissen, wo diese Aufnahme, die französische Soldaten zeigt, entstanden ist. Außerdem entdecke ich gerne Orte oder Plätze, die weniger bekannt sind. Der besondere Blickwinkel, du weißt…“

Wir bleiben noch eine Weile an diesem Lieblingsplatz. Viel erzählen wir dabei nicht, sondern genießen die Ruhe, die Sonne und vor allem diesen Ausblick.

Diese Stadt hat gigantisches Potential.

Auf dem Weg hinab in Richtung eines kleinen Cafés im Koblenzer Stadtteil Ehrenbreitstein frage ich Johannes, was ihm besonders gut in dieser Stadt gefällt.
„Ich möchte dir jetzt keine touristischen Attraktionen nennen“, antwortet er sehr direkt.
„Mir gefällt eher das gigantische Potential, das diese Stadt hat. In den letzten Jahren ist ein Gesamtkonzept entstanden und auch umgesetzt worden, das Lebensqualität auf unterschiedliche Weise für die Menschen hier bietet. Sicher gibt es noch vieles, was wir ändern müssten oder verbessern könnten. Aber lass uns doch auch mal innehalten und annehmen, was wir bisher erreicht haben.“

Und wenn du einen Wunsch frei hättest, bohre ich?
„Dann wünsche ich mir internationale Bekanntheit für Koblenz. Und das noch mehr Menschen unsere Stadt besuchen. Koblenz ist ein Highlight! Das erzähle ich immer und überall. Es ist mir ein persönliches Bedürfnis für diese Stadt zu werben.“

Keine weiteren Wünsche, hake ich nach?
„Nein“, sagt mein Gegenüber sehr bestimmt, „keine weiteren Wünsche an die Stadt, höchstens…“. Er hält kurz inne, zwinkert mir zu: „…dass die Grundsteuer nicht erhöht wird. Aber das ist ein ganz persönlicher Wunsch.“

Sich mit dem Koblenzer über seine Stadt zu unterhalten, macht mir viel Freude. Wir tauschen uns aus, über den Bau von Radwegen, die Kneipenkultur, über Koblenzer Dialekt oder die fantastische Lage der Stadt an den zwei Flüssen und dann letztendlich doch über touristische Attraktionen.
„Das Deutsche Eck, die Seilbahn und die Festung Ehrenbreitstein sind für mich die drei touristischen Anziehungspunkte in der Stadt. Allerdings“, so Johannes, „das Deutsche Eck mit dem Zusammenfluss von Rhein und Mosel wohl das Bekannteste. Damit kann man international für Koblenz gut werben. `Confluentes´ und `German Corner´, das versteht man weltweit.“

Johannes Bruchhof, März 2019

All das würdest du einem Gast auch zeigen, möchte ich wissen?
„Ja“, antwortet Johannes kurz, unüberhörbar der Stolz in seiner Stimme.
„Selbstverständlich hole ich meinen Gast vom Bahnhof ab. Dann spazieren wir durch die Rheinanlagen zum Deutschen Eck. Mit der Seilbahn geht es hinauf zur Festung Ehrenbreitstein, zu Fuß wieder hinab in Richtung Mühlental. Dort genießen wir den Wein und ich erzähle meinem Gast, dass man das Leben nicht so ernst nehmen sollte. Wir in Koblenz können das schon ganz gut,“ betont er.
„Das Leben verläuft nun mal nicht so gerade wie eine Autobahn“, setzt er nach, „aber man kann es lernen, entspannter zu leben. Manchmal wünsche ich mir, dass wir nicht immer über alles endlos diskutieren sondern die Menschen hier mehr machen lassen, Initiativen bewusst fördern, die Zusammenarbeit zwischen den Bürgern und der Verwaltung noch mehr ausbauen.
Ja, denke ich und schmunzle, da sind ja doch noch Wünsche.

Hier sitzen und genießen, das ist doch pure Lebensfreude!

Langsam füllt sich der Kapuzinerplatz und auch das kleine Cafè, in dem wir an diesem Frühlingsnachmittag über die Stadt, das Mittelrheintal, über das Leben hier und auch ein wenig über menschliches Miteinander und Lokalpolitik plaudern. Ich erfreue mich an dem bunten Treiben, genieße meinen Milchkaffee und möchte gerade meine nächste Frage stellen, als Johannes unvermittelt sagt: „Hier sitzen und genießen, das ist doch pure Lebensfreude!“

Typisch für uns Koblenzer, entfährt es mir spontan?
„Was heißt denn `typisch Koblenzer´? Es gibt für mich ebenso wenig den typischen Koblenzer wie den typischen Berliner. Ich möchte auch gar nicht erst versuchen, die Mentalität der Menschen hier zu beschreiben. Weißt du, was viel schöner ist? Ich schaue heute Nachmittag ganz bewusst auf Koblenz und stelle fest, es fehlt einfach nix. Und das ist ein total schönes Gefühl.“
Ich muss nicken und schlucken gleichzeitig.

Worauf freust du dich als nächstes?
„Auf meinen Urlaub und dann auf „Electronic Wine“, ein Festival im Juni im Park am Deutschen Eck. Bereits zum dritten Mal in diesem Jahr,“ erklärt mir Johannes freudig. „Wein aus der Region, dazu Techno, House, Electro und ab Einbruch der Dämmerung sogar noch kleine Lightshows, die für ein besonderes Ambiente sorgen. Und ich freue mich darauf, dass die Eisdielen in Koblenz bald wieder alle geöffnet sind. Das hätte ich ja fast vergessen…“

Magst du mir zum Abschluss unseres Gesprächs deine Stadt noch mit fünf Begriffen oder Sätzen beschreiben?
„Sehr gerne, auch wenn das wirklich nicht einfach ist. Scheint mir sogar die schwierigste Frage an diesem Nachmittag zu sein. Also,“ beginnt er nach einer Weile, “Koblenz ist schön, liegt einzigartig an Rhein und Mosel, ist gut strukturiert, lebenswert und da bin ich Zuhause.“

Und gerade als ich meinen Stift bei Seite legen will, sagt Johannes: „Koblenz sollte sich immer wieder neu entdecken und erfinden.“

Sein Herzenswunsch, denke ich und schmunzle.

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Johannes Bruchhof, Jg. 1988, Querdenker
Lieblingsplatz: Fort Helfenstein

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