Anna: Ich liebe Koblenz und Sprache

In wenigen Minuten treffe ich Anna. Ein kurzer Blick auf die Uhr sagt mir, dass es exakt noch elf Minuten sind. Zeit, um zu überlegen, wie unser erster Kontakt sein wird, wie wir miteinander ins Gespräch finden werden. Ich kenne Anna noch nicht persönlich. Wir haben uns über ein soziales Netzwerk verabredet. Noch drei Minuten. Ich wandere auf dem Gehweg vor dem Koblenzer Schloss hin und her und schaue immer wieder in die Richtung aus der Anna kommen wird. Anna hat mir ihren Lieblingsplatz bereits verraten und ich freue mich schon sehr auf ihre persönliche Koblenz-Geschichte. Plötzlich entdecke ich meine heutige Gesprächspartnerin, die fröhlich lachend auf mich zusteuert. Unsere Begrüßung ist herzlich, wenig fremd und nach wenigen Schritten schon sind wir mitten im Gespräch.

Anna, November 2018

Anna, die gebürtig aus Russland stammt, lebt seit sechs Jahren in Deutschland, seit einem Jahr hier in Koblenz. Sie hat in Russland, später in Trier Sprachen studiert und arbeitet jetzt als Deutschlehrerin. Sie lacht als sie mir erzählt, dass sie schon in der Schule vom Deutschen Eck in Koblenz gehört hat. Ich habe immer davon geträumt, das Deutsche Eck zu sehen, aber dass ich da einmal leben werde, wer hätte das schon gedacht. Und dann verrät mir die junge Frau, was ihr an ihrer neuen Heimatstadt so gut gefällt.

Zu Koblenz fallen mir spontan zwei Gedanken ein.“

Zu Koblenz fallen mir spontan zwei Gedanken ein. Der erste Gedanke, die Stadt hat eine faszinierende Architektur und viele Kirchen, dazu Fachwerkhäuser und sehr schöne alte Gebäude. Der zweite Gedanke, sie schmunzelt, ist eher praktisch. Alles, was ich brauche, bietet mir diese Stadt. Ich muss nirgendwo hin fahren Es gibt zwei große Einkaufszentren, keine langen Wege. Die Stadt, in der ich mich inzwischen ganz gut auskenne, bietet mir zudem viel Freiraum, Abwechslung und Erholung. So kann ich am Rhein spazieren gehen oder auf einer Bank sitzen und lesen, alles mitten in der Stadt. Die Stadt ist weder laut noch überlaufen, anders als zum Beispiel Köln oder München. Und die Menschen sind sehr tolerant. In deren Köpfen sind keine Mauern. Man kann in Koblenz so sein, wie man ist und keiner findet einen komisch.

Das interessiert mich. Auf meine direkte Nachfrage, wie Anna die Menschen in Koblenz kennengelernt hat, erklärt sie mir nachdrücklich: Die Menschen, die ich bisher hier getroffen habe, sind freundlich, hilfsbereit, sehr offen und unternehmungslustig, vor allem aber sehr interessiert an ihrer Stadt und an kulturellen Aktivitäten. Das gefällt mir. Ich kann nicht unterscheiden, wer direkt aus Koblenz kommt oder wer wie ich, zugezogen ist, aber das ist mir persönlich auch nicht wichtig. Ich mag die Koblenzerinnen und Koblenzer, ihren Dialekt und ihre Lebensart.

Peter-Altmeier-Ufer, nahe der Fähranlegestelle, im Hintergrund: Bundesbehördenhaus,  November 2018

Und dann erzählt mir Anna von den schönen Cafés in der Stadt, von ausgesuchten Lokalen und den Weinfesten an Rhein und Mosel. Ich liebe guten Kaffee, dazu ein großes Stück Kuchen oder Rinderbraten mit Kartoffeln, eigentlich überhaupt die deutsche Küche und natürlich Weißwein. Ich habe nicht geahnt, so Anna weiter, dass es hier in der Umgebung so viele Weinberge gibt, wusste nur sehr wenig über Weinbau. Ich hatte Glück und konnte bei der Weinlese helfen, allerding habe ich damals noch in Trier gelebt. Bei einer Winzerfamilie habe ich dann viel über die Herstellung von Wein erfahren. Das war sehr beeindruckend. Ich trinke gerne ein gutes Glas Winzerwein und empfinde die Weinkultur, die ich kennengelernt habe, als sehr ansprechend, erzählt mir die sympathische Koblenzerin. Wein oder Sekt aus dieser Region nehme ich immer mit, wenn ich nach Russland zu meiner Familie oder zu Freunden reise.

Magst du in Koblenz bleiben, frage ich Anna spontan?
Das wäre schon sehr schön, Anna nickt bestätigend, zumal meine Schwester auch hier in der Nähe lebt. Aber das ist ja heute meist vom Job abhängig. Ich kann mir allerdings auch vorstellen, in einer anderen Stadt oder gar in einem anderen Land zu leben. Anna macht eine Pause. Irgendwann, sagt sie, ich bin da offen.

Gibt es etwas, was du dir für diese Stadt besonders wünschst oder was du hier vermisst?
Anna überlegt eine kleine Weile. Eigentlich…, sie zögert, eigentlich mag ich die Stadt so wie sie ist. Besonders mag ich Rhein und Mosel, die Flussufer. Koblenz liegt sehr zentral. Von hier aus bieten sich so viele Ausflugsmöglichkeiten, z. B. Bonn, Köln, Frankfurt, Trier oder gar Luxemburg. Natürlich gibt es immer etwas, was man noch verbessern könnte, so Anna, zum Beispiel die öffentlichen Toiletten.
Und,
sie zögert wieder, mir fallen doch noch zwei Wünsche ein. Im Stadtteil Ehrenbreitstein gibt es direkt am Kapuzinerplatz ein großes Gebäude, welches zunehmend verfällt. Das ist kein schöner Anblick. Ich wünsche mir, dass dieses Gebäude wieder hergerichtet wird. Mein zweiter Wunsch ist, dass für eine gute, seit über 30 Jahren bestehende Tanzschule in Koblenz Räume gefunden werden, damit diese Einrichtung nicht schließen muss. Anna streicht sich nachdenklich durch ihre langen schwarzen Haare. Das ist doch nicht wirklich zu verstehen, fragt sie mich leise.

Am Rheinufer, im Hintergrund: Festung Ehrenbreitstein, November 2018

Einen Moment später, als ich Anna nach ihrem Lieblingsplatz frage, fällt der schlanken jungen Frau sogar noch ein dritter Wunsch ein. Sie würde sich sehr freuen, wenn die Fähre Koblenz-Ehrenbreitstein längere Fahrzeiten hätte. Vielleicht schon ab acht Uhr morgens, und auch am Abend eine Stunde länger, dann können wir Berufstätigen die Fähre gut nutzen. Ich fahre morgens doch lieber mit der Fähre über den Rhein als mit dem Bus durch den dichten Verkehr in die Stadt. Das kann ich gut verstehen.

Anna liebt die Fahrten mit der Fähre und nutzt diese Verbindung so oft sie kann. Der Kapitän ist inzwischen ein guter Bekannter von mir, schmunzelt sie. Der Weg von der Anlegestelle, entlang am Peter-Altmeier-Ufer, durch den Schlosspark , vorbei am Kurfürstlichen Schloss über die angrenzende Schlossstraße hin zu ihrem Arbeitsplatz ist Annas Koblenzer Lieblingsplatz. Wohl eher Lieblingsweg, korrigiert mich Anna charmant, in beide Richtungen. Ich genieße es, nach der Arbeit genau diesen Weg zu gehen. Eigentlich bei jedem Wetter, greift Anna meiner nächsten Frage vor. Während des Spaziergangs resümiere ich den Tag, was war besonders gut, was hat mir weniger gefallen. Das entspannt und gibt mir viel Zufriedenheit. Oft höre ich auch Musik. Dieser Weg ist einfach phantastisch, allein wenn ich nur durch den Schlosspark laufe, denke ich immer wieder: So ein schönes Ambiente und alles frei zugänglich. In anderen Städten muss man dafür bezahlen. Beim Erzählen wird Anna so lebendig und steckt mich in kürzester Zeit mit ihrer Begeisterung an. Und wenn man dann aus dem Park mit den großen alten Bäumen kommt, ist man direkt am Rhein, kann die vorbeifahrenden Schiffe beobachten, den Blick zur Festung Ehrenbreitstein genießen. Das ist doch wirklich wie im Urlaub hier! Sie strahlt.

Lieblingsplatz-Spaziergang, Rheinufer, November 2018

Würdest du mit einem Gast einen Spaziergang entlang des Rheins machen oder was würdest du ihm von deiner Stadt zeigen, knüpfe ich direkt an Annas letzte Aussage an?
Selbstverständlich, erklärt sie mir, aber ich würde bis zum Deutschen Eck gehen, danach in die Koblenzer Altstadt mit den vielen kleinen Gassen und Plätzen. Ich persönlich mag auch den Jesuitenplatz, besonders zur Weihnachtszeit und den Görresplatz und die Basilika St. Kastor, schweift sie ein wenig ab. Ich habe dabei das Gefühl, dass Anna mit ihren Gedanken gerade ganz in „ihr Koblenz“ abgetaucht ist. Wenig später kommt sie auf meine Frage zurück und beschreibt mir sehr ausführlich, was sie ihrem Gast zeigen wird: Die Festung Ehrenbreitstein, den Kapuzinerplatz im Stadtteil Ehrenbreitstein, das Mosel- wie Rheinufer. Natürlich gehen wir auch in eines meiner Lieblingscafés in der Stadt und wenn eine Freundin zu Besuch käme, gingen wir shoppen, so Anna amüsiert. Ich würde meinem Gast sehr viel über Koblenz erzählen wollen, betont Anna wenig später selbstbewusst, unter  anderem, dass “Confluentes“ Zusammenfließen bedeutet, dass der Name der Stadt sich auch daraus begründet und, dass die Römer bereits hier siedelten. Anna liebt Koblenz, Geschichte  und Sprache.

Fähre Koblenz-Ehrenbreitstein

Zum Abschluss unseres Gesprächs an diesem Nachmittag bitte ich auch Anna die Stadt mit fünf Begriffen oder Sätzen zu beschreiben. Und so hat Anna geantwortet:

Koblenz ist „meine Stadt“, mit der ich mich identifiziere, hat eine malerisch schöne Landschaft, z. B. Gebirge, Flüsse, ist historisch interessant, nicht nur für Touristen, bietet viel Gemütlichkeit und hat Urlaubsflair.

Ich habe plötzlich wieder meine Gedanken vor Beginn unseres Treffens im Kopf. Wie werden wir miteinander ins Gespräch finden, hatte ich mich gefragt. Einfach, locker, authentisch und sehr fröhlich, ist jetzt meine Antwort. Ich freue mich auf ein Wiedersehen mit Anna, vielleicht in einem ihrer Lieblingscafés oder auf der Fähre Koblenz-Ehrenbreitstein…

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Anna Goncharova, Jg. 1989, Koblenzerin mit russischen Wurzeln, die die Stadt genießt
Lieblingsplatz: Weg zwischen Peter-Altmeier-Ufer und Kurfürstlichem Schloss
Gespräch vom 9. November 2018

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