Alex: Lützel und ein Herzenswunsch

Ausgerechnet heute. Ausgerechnet an diesem Montagvormittag regnet es. Gestern war es noch sonnig und warm. Und ich hegte die Hoffnung, mit meiner heutigen Gesprächspartnerin am Rhein-oder Moselufer entspannt über deren Heimatstadt plaudern zu können.

Als ich mich drei Stunden später auf den Weg mache, klart der Himmel auf und ich kann ohne Schirm unseren vereinbarten Treffpunkt erreichen. Alexandra erwartet mich bereits. Nach ihrer herzlichen Begrüßung sind wir uns schnell einig. Wir wagen trotz des sich wieder langsam dunkel färbenden Himmels eine Fahrt mit der kleinen Moselfähre vom Deutschen Eck hinüber in den Koblenzer Stadtteil Lützel. Dort möchte mir Alexandra ihren Lieblingsplatz zeigen.

Schon auf der Fähre sind wir zwei Frauen beim „Du“ und mitten im Gespräch.
Alex ist ein echtes „Kowelenzer Schängelche“.
„Ein `Kowelenzer Mädche´ bin ich, scherzt sie „und mit Koblenz verwoben. 1975 im Evangelischen Stift St. Martin geboren, in Kesselheim, später in Lützel aufgewachsen. Meine Eltern hatten dort einen Familienbetrieb. Ich musste also früh selbständig werden. Als Kind war es in Lützel zwar nicht immer einfach, dafür aber echt faszinierend. Schon in der Grundschule hatte ich `internationale Freunde´.“
Sie lacht.
„Auf dem Gymnasium später war das allerdings anders. Unterschwellig blieb man stets ein `Kind aus Lützel´, Vorurteile halt“, sagt sie jetzt sehr ernst.
„Auch heute gibt es diese noch. Mir ist das egal. Ich bin und bleibe eine Lützelerin, auch wenn ich heute nicht mehr dort lebe. Meine Praxis, ich bin seit zehn Jahren selbständig, habe ich ganz bewusst in diesen Stadtteil gelegt.“

Das alles erzählt mir Alexandra während uns die, von April bis Oktober pendelnde Fähre „Liesel“ über die Mosel schaukelt.

Moselfähre Liesel, Mai 2019


Lützel. In unserem Stadtteil hält man zusammen…

„Lützel ist sehr Innenstadt nah, aber auch ein wenig dörflich“, so Alex, „und es gibt viele sehr schöne Altbauten, Geschäfte, Restaurants, einen alten Bahnhof. Der Stadtteil war schon immer multikulturell, alteingesessene Lützeler und Migranten.“

Sie unterbricht kurz.
„In unserem Stadtteil hält man zusammen. Ich kann mich noch gut an das `Jahrhunderthochwasser´ Weihnachten 1993 erinnern, welches auch unseren Stadtteil sehr betroffen hat. Der Strom war abgestellt. In den Kühlschränken und –truhen drohten die Lebensmittel zu verderben. Mein Vater, der ja Koch war, hat aus Hackfleisch Frikadellen gebraten, die wir dann mit einem Paddelboot an die älteren, meist einsamen Menschen verteilt haben. Einander helfen, Freude bereiten, auch das ist der Sinn von Weihnachten“, so Alex.
„Später habe ich dann vom Balkon aus auf der Trompete ein Weihnachtslied gespielt. Unsere Vermieterin bat mich darum, diese Tradition wieder aufleben zu lassen. Dieses Weihnachtsfest, diesen besonderen Abend werde ich nie vergessen.“

Inzwischen sind wir an Alexs Lieblingsplatz angekommen, welcher sich unweit der Anlegestelle der Moselfähre befindet.
„Mein Lützeler Eck“, schwärmt die adrette Koblenzerin, „herrlich. Von hier aus kannst du hinauf zu Festung schauen, das Deutsche Eck und die Altstadt sehen, ohne dass du mitten im touristischen Trubel bist. Und du kannst wunderbar am Rhein spazieren gehen. Ein schön angelegter Uferweg, der bis in den Stadtteil Kesselheim führt. Leider gibt es diese kleine alte Bank nicht mehr. Auf ihr habe ich viel Zeit verbracht, oft mit einem guten Buch.“
Alex zeigt auf die große Rasenfläche.
„Außerdem“, jetzt strahlen ihre Augen, „ich habe mit meinem Mann hier ganz viel Zeit verbracht. Wir haben uns am Deutschen Eck kennengelernt  und sind danach oft hier gewesen. Jetzt waren allerdings schon länger nicht mehr hier. Das wird sich ändern“, beschließt Alex und schlendert zu den modernen Bänken.

Alex an ihrem Lieblingsplatz, am Moselufer gegenüber vom Deutschen Eck, Mai 2019

Währenddessen schaue ich mich um. Hinter mir liegt der ganzjährig geöffnete „Knaus Campingpark Rhein/Mosel“, von dessen ca. 200 Stellplätzen man ebenso einen fantastischen Blick auf die Koblenzer Sehenswürdigkeiten hat. Viel Grün, gepflegtes Ambiente, modern gestaltet, direkt am Wasser gelegen, mit Kieselstrand. Bundesgartenschau, denke ich und bin wieder einmal glücklich, in dieser schönen Stadt leben zu können.

Alex winkt mir zu und schlägt vor, wieder auf die andere Seite zurück zu kehren und unser Gespräch in ihrem Lieblingscafé am Jesuitenplatz in der Koblenzer Altstadt fortzusetzen. Dort angekommen haben wir schon wieder so viel geplaudert, dass ich rasch Block und Stift zücke, um nichts zu vergessen.

Alexs Herz schlägt für Koblenz. Sie liebt ihre Heimatstadt und die Menschen, die lebensfroh sind, manchmal spontaner sein könnten, aber immer zusammen halten. Auf meine Frage, was sie an Koblenz denn nun ganz besonders mag, antwortet sie singend mit der Textzeile Koblenz, Du Koblenz erblühe in vollem Glanz. Wer einst zu Gast bei Dir war, kommt immer wieder gerne hier hin.

„Koblenz hat viele schöne Plätze“, so Alex,“die Rheinanlagen, den Blumenhof am Museum Ludwig, aber auch kleine, auf den ersten Blick nicht sofort erkennbare hübsche Ecken, wie den wunderschönen Magnolienbaum am Reichenspergerplatz. Es gibt viel Natur in unserer Stadt. Besonders genieße ich Koblenz, wenn ich früh am Morgen, an diesem Ort hier mit einer Tasse Kaffee sitzen kann und erlebe wie die Stadt erwacht. Wie die angenehme Stille aufkommendem Gemurmel langsam weicht. In diesen Momenten fühle ich Geborgenheit. Dann bin ich hier so richtig Zuhause.“
Alex dreht sich in Richtung Fenster und ich verspüre eine leichte Gänsehaut an meinen Armen.

Hast du Wünsche an deine Stadt?, frage ich nach einer kurzen Pause.
Alex schaut mich etwas fragend an.
„Wer hat denn keine Wünsche?, entgegnet sie augenzwinkernd.
„Lass mich mal anfangen: Mehr Sitzplätze im Grünen, das ist sicher ein leicht zu realisierender Wunsch. Schwieriger, aber nicht unlösbar, scheint mir ein intensives Vernetzen der Koblenzerinnen und Koblenzer zu sein. Es gibt so viele Initiativen und Gruppen, nur man findet Informationen darüber nicht so leicht. Und jetzt erzähle ich dir noch von meinem Herzenswunsch, vielleicht eher auch eher über eine Vision, auf alle Fälle über einen Gewinn für Koblenz“, betont Alex selbstbewusst.
Gespannt höre ich ihr zu. Sie erklärt mir ihre Gedanken mit so viel Begeisterung und Engagement, dass ich überzeugt bin, diese couragierte Frau wird gleich aufstehen und losziehen, um ihre Idee umzusetzen.

Ein Gesundheitszentrum in Lützel und ein Erzählcafé in der Altstadt…

„Ich träume von einem Gesundheitszentrum, welches medizinische, körper- und psychotherapeutische Fachrichtungen unter einem Dach vereint. In Lützel, im Neubaugebiet auf dem Gelände des Güterbahnhofs, da ließe sich bestimmt ein geeigneter Platz finden“, so die ausgebildete systemische Therapeutin und Heilpraktikerin.
Sie holt tief Luft.
„Das kannst du ruhig schreiben und veröffentlichen“, nickt sie mir zu, „vielleicht sehen wir uns ja zur Einweihung.“ Sie lacht, mutig und herzlich und besonders ansteckend.
„Ach, da fällt mir doch noch ein weiterer Wunsch ein: Ein Erzählcafé in der Altstadt, eine angenehme Atmosphäre lädt zum miteinander Erzählen, Lesen und Schreiben, zum Austausch ein.“
Schmunzelnd schlage ich Alex vor, gemeinsam einen geeigneten Ort zu finden und loszulegen.
„Da bin ich dabei! Ich möchte in dieser Stadt etwas bewegen, mich hier engagieren“, bekräftigt Alex.
„`Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom, die lebendigen kommen zur Quelle´ hat mein Vater immer gesagt. Das hat mich sehr geprägt.“

Es gibt nicht viel, was Alex in Koblenz weniger gut gefällt. Spontan nennt sie die hohen Parkgebühren und das derzeitige Verkehrschaos durch die Brückensanierungen sowie den überteuerten Wohnraum.
„Ich würde gerne wieder in Koblenz wohnen, am liebsten in einem eigenen Haus mit Praxisräumen. Aber das ist doch recht teuer“, stellt sie sachlich fest.
„Auch wenn ich nicht hier wohne oder egal, wohin es mich vielleicht mal verschlägt: Meine Stadt nehme ich immer mit!“

Alex, Mai 2019

Einem Gast würde Alex in Koblenz sehr viel zeigen wollen. Vom Bahnhof aus geht es über die Löhrstraße in Richtung Altstadt, zum Deutschen Eck, von dort durch den Blumenhof hin zur Basilika St. Kastor, zum Abschluss in die Liebfrauenkirche. Ihr Gast, dem sie während des Spaziergangs  auch die Geschichte vom „Kowelenzer Schängelche“ erzählt, darf seine Sorgen in das in Kirche ausliegende Buch schreiben.
„Sorgenfrei soll er wieder nach Hause fahren und unser Koblenz als eine wunderschöne Stadt mit liebenswerten Menschen in Erinnerung behalten. Ach und ich würde ihm noch sagen, typisch sind unsere Sprache, das `Kowelenzer Platt´, und der Döppekooche“.

Meiner Aufforderung, mir zum Abschluss unseres Gesprächs Koblenz mit fünf Begriffen oder Sätzen zu beschreiben, kommt Alex gerne nach:
„Koblenz ist multikulturell, wenn man die Stadtteile einbezieht, überschaubar, trotzdem groß genug, Heimat, zumindest für mich, Geborgenheit und…, sie schaut mich keck an, „…aufmüpfig.“

Ihr „Lützeler Eck“, mit dem Blick auf das Deutsche Eck, Mai 2019

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Alexandra Haußmann, Jg. 1975
Lieblingsplatz: Moselufer im Koblenzer Stadtteil Lützel, Anlegestelle Moselfähre „Liesel“

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